Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Ein offenes Atelier in leerstehenden Geschäftsräumen eines Einkaufszentrums in der Innenstadt, Harburgs, in dem Flüchtlinge und Einheimische, mit und ohne Handicaps, Arbeitslose, Arme, Alte und Jugendliche Kunst kreieren. Die Kunstwerke werden anschließend zu Gunsten Obdachloser versteigert. Ersteigert werden die Kunstgegenstände gegen Dinge, die Obdachlose in ihrem Alltag benötigen (wie Schlafsäcke, Isomatten, Zelte, Hygieneartikel etc.).
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Ausgangssituation
Der Bezirk Harburg ist einer von sieben Bezirken der Freien und Hansestadt Hamburg. Im Bezirk leben derzeit ca. 160.000 Menschen.[1] Der Anteil von hier lebenden Ausländern (20%) sowie von Menschen mit Migrationshintergrund (42%) ist im Hamburger Vergleich hoch. Insbesondere unter den minderjährigen Menschen im Bezirk haben viele einen Migrationshintergrund (61%).[2]
Die Arbeitslosigkeit ist in Harburg vergleichsweise hoch (6,6 %). 12,5% der Bevölkerung bezieht Leistungen nach dem SGBII.[3] Das Durchschnittseinkommen ist sehr gering (28.500,- Euro) im Vergleich zum Hamburger Durchschnitt (35.500,- Euro).
Harburg wächst. Allein gegenüber dem Vorjahr (2015) leben in 2016 fast 3.700 Menschen mehr in Harburg (+2%), darunter viele kürzlich Zugewanderte – Tendenz weiter steigend. Neubaugebiete und neue Unterkünfte für Flüchtlinge, insbesondere solche mit der „Perspektive Wohnen“, festigen diesen Trend auf absehbare Zeit. Derzeit leben etwa 4.300 Menschen mit kurz zurückliegender Fluchterfahrung in Erstaufnahmeeinrichtungen und Folgeeinrichtungen im Bezirk.[4]
Es ist also nötig, dass Angebote geschaffen werden, bei denen sich die vielfältigen Menschen im Bezirk begegnen, austauschen, engagieren und gemeinsam den Bezirk gestalten und den sozialen Zusammenhalt gemeinsam stärken.
Anlass
In der Zeit der verstärkten Zuwanderung von Menschen aus unterschiedlichen Krisenregionen in den Jahren 2014 bis 2016 sowie durch das Engagement zahlreicher Freiwilliger entstanden in der nahen Vergangenheit Projekte, die zum Ziel hatten, den neuen sowie bisherigen Harburgerinnen und Harburgern die Integration der Flüchtlinge zu erleichtern. Dies geschah vor allem durch Projekte, bei denen sich Menschen gegenseitig kennenlernten und gemeinsam Dinge, wie Veranstaltungen, Gärten oder Kunst, gestalteten konnten. Vorurteile wurden abgebaut und es konnten - gegenseitig - Einblicke in die Lebensweisen der jeweils „Anderen“ gewonnen werden. - Begegnung bedeutet häufig gegenseitiges Verstehen sowie den nachhaltigen Abbau von Vorurteilen und Unsicherheiten im Umgang miteinander. Daher ist Begegnung eines der wichtigsten Instrumente erfolgreicher Integration im Sinne einer Inklusion auf Augenhöhe. Der Wettbewerbsbeitrag steht auf dem Fundament dieser Erkenntnis.
Eines der erfolgreichen Projekte dieser Zeit resultiert aus einer Idee des Künstlers Sladan „Sly“ Kristicevic. Er etablierte ab 2015 ein offenes Atelier, das Flüchtlinge, aber auch Einheimische nutzen konnten, um selbst Kunst zu kreieren - Auszug aus der Ursprungsidee: „Da die meisten Flüchtlinge keine Chance haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren ohne Harburger kennenzulernen, kann das Habibi Atelier dafür eine Möglichkeit bieten: Einen Platz, an dem wir uns alle künstlerisch beschäftigen und friedlich unsere Kulturen austauschen können. Es wird die Möglichkeit geboten, dass Flüchtlinge und Anwohner sich nicht nur bei Behördenbesuchen oder Arztgängen bzw. über die Nachrichten kennenlernen. Die Flüchtlinge können von den Harburgern nicht nur als objektiv wahrgenommene Personen, sondern als Mensch – wie du und ich – kennengelernt werden. Es kann einen Platz bieten, um Tee zu trinken, Freundschaften zu schließen und vor allem kreativ zu sein.“
Dieses Angebot eines offenen Kunst-Forums beschäftigte die Menschen nicht nur, strukturierte ihren Tag und verhalf ihnen zu Ablenkungen vom Erlebten und dem anstrengenden neuen Alltag in einer Flüchtlingsunterkunft oder in der Einsamkeit der eigenen Wohnung, sondern ermöglichte es ihnen, anderen Menschen zu begegnen, sich mit ihnen auszutauschen sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erleben. Dieser sehr niedrigschwellige Ansatz war sehr erfolgreich, weil er wenig Erklärung bedurfte und zu großen Teilen unabhängig von den sprachlichen Kompetenzen der Beteiligten funktionierte.
Das erfolgreiche Projekt sprach sich schnell in Harburg herum und erlangte zügig Aufmerksamkeit – auch die des Bezirksamtes. In gemeinsamen Gesprächen entwickelte sich aus dem Habibi-Atelier, dass nur in Flüchtlingsunterkünften angesiedelt war, die Idee sowie die Gelegenheit, im Auftrag des Bezirksamtes leerstehende Geschäftsräume in einem zentral gelegenen Einkaufszentrum, den Harburg Arcaden, für ein festes, offenes Atelier zu nutzen – mit verlässlichen Öffnungszeiten und sichtbar für alle, die an der Ladenfläche vorbei gehen. Somit konnte das Habibi-Atelier von noch mehr Menschen genutzt werden, da nicht nur Menschen darauf aufmerksam wurden, die sich im Kontext der Flüchtlingsunterkünfte bewegen, sondern auch alle diejenigen, die in den Harburg Arcaden einkaufen. Es wurden mehr Zielgruppen erreicht. Das Angebot wurde noch einmal niedrigschwelliger, da man einfach innerhalb der Öffnungszeiten spontan, also ohne Anmeldung, das Atelier nutzen konnte, das sich nun an einem verlässlichen, sehr öffentlichen Ort befand.
Die Leitung der Harburg Arcaden stand dem Habibi-Atelier sehr positiv gegenüber und unterstütze das Vorhaben ausdrücklich. Hand in Hand mit „Sly“, den Harburg Arcaden sowie dem Bezirksamt und anderen unterstützenden Akteuren konnte eine Finanzierung aufgebaut und das neue Atalier eingerichtet werden.
Die große Menge an qualitativ hochwertigen Kunstwerken, die die Menschen im neuen Habibi-Atelier innerhalb dreier Monate erschufen – und bereits zuvor in den Flüchtlingsunterkünften erschaffen hatten, stellte uns vor die Frage, was mit den Kunstwerken geschehen soll. In weiteren Gesprächen der Akteure schärfte sich eine Idee des Künstlers „Sly“; die Kunstwerke zu Weihnachten zu versteigern und den Erlös Obdachlosen zur Verfügung zu stellen. Die Kunstwerke sollten jedoch nur gegen Dinge ersteigert werden können, die Obdachlose täglich benötigen (Schlafsäcke, Isomatten, Zelte, Hygieneartikel etc.). Eine Übergabe dieser wichtigen Alltagsgegenstände sollte möglichst direkt erfolgen.
Konzeption, Ziele und Zielgruppen
1. Habibi-Atelier – Das offene Atelier für alle
Das Habibi-Atelier richtet sich ausdrücklich an alle Menschen. Hier finden sich Menschen mit Handicap, Arbeitslose, künstlerisch ungebildete sowie künstlerisch ausgebildete Nutzer mit und ohne Migrationshintergrund (vor kurzen zugewandert oder bereits hier geboren), Arme sowie Reiche und gestalten gemeinsam unterschiedlichste Kunstwerke, tauschen sich aus und lernen voneinander. Das Angebot soll unbedingt niedrigschwellig sein. Daher die prominente Lage sowie die ausdrückliche Offenheit gegenüber den Zielgruppen – und der Art der Kunst (Gemälde, Skulpturen, Installationen, Collagen, etc.), die hier erschaffen wird.
Der Künstler „Sly“ ist selbst zugewandert und begegnet den Menschen auf Augenhöhe und viel Empathie sowie Sachverstand. Er ist ansprechbar als Ratgeber bei der Umsetzung von Kunstwerken und organisiert die unterschiedlichen Materialien, die im Atelier zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem Habibi-Atelier gelang es, ein offenes Atelier mit professioneller Anleitung mitten in den viel frequentierten Harburg Arcaden zu installieren. Aufgrund der vielen Zielgruppen und der großen Offenheit des Angebotes ist das Habibi-Atelier aber nicht nur ein Ort, um Kunstwerke zu erstellen, sondern auch ein Ort des offenen Austausch und ein Treffpunkt für Menschen im Quartier.
Auf diese Weise konnten mehr Menschen als bisher (in Flüchtlingsunterkünften) von dem Angebot profitieren, gemeinsam mit anderen Kunstwerke erschaffen, sich gegenseitig kennenlernen, sich austauschen und unterstützen. Zudem wurde hier ein temporärer Leerstand in einem innerstädtischen Einkaufszentrum kreativ, sozial und kulturell genutzt.
2. Kunst-Tausch für Obdachlose
Alle im Habibi-Atelier erstellen (oder gespendeten) Kunstwerke wurden öffentlich (im Ladengeschäft in den Harburg Arcaden) ausgestellt und im Zeitraum von zwei Wochen versteigert werden. Der Künstler „Sly“ legt fest, welche Gegenleistungen für den Erwerb eines Kunstwerks erbracht werden müssen (ob ein oder zwei Isomatten, Schlafsäcke oder Hygienepacks oder andere Gegenstände) und sammelt die Spenden ein. Am Ende werden die Kunstwerke gegen die vereinbarte Gegenleistung getauscht. Die Spenden werden dem DRK übergeben und im Rahmen der Eröffnung der neuen Aufenthaltsstätte für Obdachlose des DRK in Harburg verteilt. Neben Spenden, die für Kunstwerke getauscht werden, gehen aber auch Spenden ohne Gegenleistung ein. Diese werden, so sie tatsächlich sinnvoll sind, ebenfalls von „Sly“ entgegen gekommen.
Neben den Zielen des Habibi-Ateliers, Begegnung, Austausch, Integration/Inklusion, Beschäftigung, künstlerische Bildung und Förderung des freiwilligen Engagements im Quartier, sollen hier ausdrücklich Obdachlose unterstützt werden und von der Aktion profitieren. Flüchtlinge erhalten zudem auf diese Weise eine Gelegenheit, sich selbst einzubringen, ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren, und „etwas zurück zu geben“. Dieser Wunsch wurde von den Flüchtlingen ausdrücklich während der Ideenentwicklung geäußert.
Ergebnisse
Eine Auswertung des Projektes liegt bei Antragstellung noch nicht vor. Sicher ist bereits, dass das Projekt bisher ein Erfolg ist. Bei einer sehr emotionalen Übergabe konnten bereits über 60 Schlafsäcke und Isomatten, ca. 15 Zelte sowie duzende Hygienepakete, Decken und kleine Geschenke überreicht werden – deutlich mehr als erhofft.
Erfüllung der Bewertungskriterien
Der Wettbewerbsbeitrag fügt sich direkt in die Ziele und Maßnahmen des Hamburger Integrationskonzeptes ein: Bildung von Anfang an, hier; kulturelle Bildung, Ankommen in der Gesellschaft und Zusammenleben stärken; hier freiwilliges Engagement stärken, Kultur erleben, Wohnen und Zusammenleben im Quartier, hier; Vielfalt im Quartier, Sozialraum gestalten sowie interkulturelle Begegnungen schaffen. Zudem ist das Vorhaben ein Beitrag zur interkulturellen Öffnung der hamburgischen Verwaltung, hier; Interkulturelle Kompetenzen der Beschäftigten stärken.
Der Wettbewerbsbeitrag stützt sich insbesondere auf das Harburger Leitbild – Zusammenleben in Vielfalt und verfolgt vor allem die Ziele: Integration aller Bewohnerinnen und Bewohner (Abbau von Diskriminierung jeder Art), Gelebte Vielfalt (Ermöglichung von Begegnung und Dialog), Orientierung an Potenzialen (Potentiale der Menschen sowie deren Vielfalt nutzen und sichtbar machen), Stärkung der Selbstwirksamkeit (Befähigung gesellschaftlicher Gruppen, Unterstützung bei der Selbstorganisation) sowie Interkulturelle Öffnung aller bestehenden Institutionen (Förderung der Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen).
Diese Ziele und Bedarfe wurden umfänglich in öffentlichen Workshops und weiteren Veranstaltungen erhoben, die zur Erstellung des Harburger Leitbildes – Zusammenleben in Vielfalt führten. Diese Ziele wurden zusammen mit der Zivilgesellschaft sowie der Politik erarbeitet, um das Thema Integration in Harburg nachhaltig sowie inklusiv bearbeiten zu können. Die Politik begleitet die Prozesse der Umsetzung der Maßnahmen, die sich aus dem Harburger Leitbild ergeben, eng und unterstützt diese.
Über die Integrationsbeauftragten der Bezirksämter sowie der Fachkräfte für die sozialräumliche Integration von Flüchtlingsunterkünften bzw. zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe sowie der Bildungskoordination gibt es einen regelmäßigen und regen Austausch über die Bezirke hinweg zu zahlreichen Themen im Bereich der Integration sowie über Vorhaben und deren Übertragung auf andere Bezirke. Dies betriff inhaltliche Planungen im Rahmen der Regionalen Bildungskonferenzen, Maßnahmen zur Umsetzung des Hamburger Integrationskonzeptes sowie zur Weiterentwicklung des Hamburgweiten „Forums Flüchtlingshilfe“ sowie der bezirklichen sowie überbezirklichen Dialogforen zum Thema Flüchtlingshilfe.
Der Wettbewerbsbeitrag verfolgt ausdrücklich einen inklusiven Gedanken. Willkommen sind alle Menschen, egal welcher Herkunft oder Weltanschauung, Alters, Geschlechtszuschreibung oder sozialen Status‘ etc. Wir gehen davon aus, dass alle Menschen in der Lage sind, künstlerisch produktiv zu sein und auf diese Weise einen Mehrwert für andere Menschen zu erzeugen, hier die Obdachlosen, die von der Versteigerung der Kunstwerke direkt profitieren. Zudem gehen wir davon aus, dass sich die Menschen über das Erstellen von Kunst wertfrei begegnen, austauschen sowie voneinander lernen und auf diese indirekte Weise ihre Vorurteile abbauen und offener im Umgang mit anderen, vermeintlich fremden, Menschen werden.
Der Wettbewerbsbeitrag nutzt vorhandene Netzwerke der Integrationsarbeit und verknüpft diese mit anderen Akteuren. So ist es gelungen, die Arbeit des Habibi-Ateliers, die vorher nur in und im Umfeld von Erstaufnahme und Folgeunterkünften von f&w - fördern und wohnen[5] durchgeführt wurde, in den Harburg Arcaden unterzubringen. Die Harburg Arcaden sind hier ein
wichtiger Partner bei der Umsetzung des Vorhabens (Ausstellungs- und Lagerräume, Ladenflächen für das Atelier). Das Deutsche Rote Kreuz ist ebenfalls in die erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens eingebunden (Verteilung der Spenden und fachliches Know-How). Darüber hinaus unterstützen uns zahlreiche Einzelpersonen mit ihren persönlichen Netzwerken.
[1] Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (AöR, 2016): Hamburger Stadtteil-Profile 2016. Stand: 31.12.2016.
[2] ebd.: In Hamburg 16% Ausländer und 33% Menschen mit Migrationshintergrund, 49% bei den Minderjährigen.
[3] ebd.: In Hamburg 5,6% Arbeitslosenquote sowie 9,9% SGB-II-Quote.
[4] Quelle: Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration: http://www.hamburg.de/fluechtlinge-unterbringung-standorte/. Abgefragt: 27.12.2017.
[5] f&w – fördern und wohnen (AöR) betreibt die meisten Erstaufnahmeeinrichtungen sowie Folgeunterkünfte für Flüchtlinge in Hamburg sowie öffentlich-rechtliche Unterkünfte für andere Menschen, die ohne diese Unterkünfte obdachlos wären.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags






C2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags


































Welche Handlungsfelder zur Integration von Zuwanderern und zur Förderung des Zusammenlebens mit der Bevölkerung vor Ort stehen in Ihrem Wettbewerbsbeitrag im Mittelpunkt? Bitte geben Sie an, ob sich das Handlungsfeld auf die Gesamtstadt oder das Quartier bezieht bzw., ob es sich um ein Projekt handelt.


































C3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
















































Einzelprojekte
Einzelprojekt 1























Einzelprojekt 2






















