Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Diemelstadt ist eine Kommune in Nordhessen mit aktuell 125 Flüchtlingen bei insgesamt ca. 5.300 Einwohnern.
Unsere Flüchtlingsarbeit basiert darauf, humanitäre Hilfe und langfristige Integration im Einklang mit der einheimischen Bevölkerung für alle bestmöglich umzusetzen. Vorrangig werden Themen wie Wohnraum, Spracherwerb, pädagogische Betreuung der Kinder sowie die integrative Freizeitgestaltung bearbeitet. Je nach individueller Perspektive, zielen die Maßnahmen auf kurzzeitigen Aufenthalt oder eine langfristige Integration ab. Gleichzeitig wird aber auch nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ gehandelt. Eine unserer Stärken ist die intensive Vernetzung mit den diversen Akteuren.
Unser erklärtes Ziel ist es, die gestiegene Zuwanderung nicht nur als Belastung und Herausforderung, sondern als Chance und Bereicherung gerade für unsere ländliche Kommune zu sehen und diese optimal zu nutzen.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Diemelstadt sieht sich seit dem Jahreswechsel 2015/2016 angesichts sprunghaft angestiegener Zahlen von aufzunehmenden Flüchtlingen und Asylbewerbern mit vielfältigen und ungekannten Herausforderungen konfrontiert.
Wenngleich es in einem Ortsteil seit vielen Jahren eine größere Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber gibt, so fiel diese Unterkunft seit je her in die Zuständigkeit des Landkreises und des privaten Betreibers vor Ort. Darüber hinaus gab es weder besondere Integrationsmaßnahmen noch konkrete ehrenamtliche Strukturen.
Bereits im Mai 2015 bildete sich eine Kommission aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern, welche als Gremium dem städtischen Magistrat zugeordnet wurde und somit einen verbindlichen Charakter erhielt. Bei den regelmäßigen Treffen wurden dann Entscheidungen bezüglich der Flüchtlingsarbeit abgestimmt und weitere Schritte geplant.
Innerhalb weniger Monate stieg die Zahl der Flüchtlinge auf über 150 Personen an, was wiederum etwa 3 % der Bevölkerung ausmachte.
In dieser Phase galt es hauptsächlich die mitunter wöchentlich eintreffenden Flüchtlinge unterzubringen und mit dem Nötigsten zu versorgen. Gleichzeitig gab es seitens der Bevölkerung nicht unerhebliche Vorbehalte.
In Absprache mit dem Landkreis wurden binnen kurzer Zeit private Wohnungen angemietet und eingerichtet. Im Verlauf entstand dann eine weitere, ebenfalls privat geführte, Gemeinschaftsunterkunft. Im Vordergrund stand bereits damals eine für alle Beteiligten verträgliche Lösung bezüglich der Unterbringung zu finden. So gelang es letztendlich allen Personen geeigneten Wohnraum anbieten zu können und zu keiner Zeit öffentliche Räumlichkeiten in Anspruch nehmen zu müssen.
Seitens der Stadt wurde frühzeitig der Umfang dieser noch in der Entstehung befindlichen Aufgabe erkannt und somit entschied man Anfang 2016 eine hauptamtliche Flüchtlingskoordinatorin einzustellen, die sich fortan um sämtliche Belange der Flüchtlinge kümmerte. Außerdem konnte die Verwaltung durch diese Stelle allen aktiv Beteiligten sowie der Bevölkerung im Allgemeinen eine zentrale Anlaufstelle im Rathaus bieten.
Das vorrangige Ziel war von Anfang an die (seinerzeit nicht absehbare) Gesamtzahl der zugewiesenen Flüchtlinge adäquat unterzubringen und für die jeweilige Verweildauer in der Kommune bestmöglich zu integrieren. Da sowohl die Bevölkerung als auch die städtische Verwaltung dieser Herausforderung relativ unerfahren gegenüberstand, galt es Strukturen zu schaffen und ein finanziell und logistisch umsetzbares Konzept zu erstellen.
So wurden im weiteren Verlauf, neben den Treffen der Kommission, wiederholt Workshops mit externen Referenten zu unterschiedlichen Themen der Flüchtlingsarbeit abgehalten. Hierzu wurden u.a. interessierte Ehrenamtliche sowie Vertreter örtlicher Bildungseinrichtungen und Vereine eingeladen. Um die Entwicklungen und den jeweils aktuellen Stand auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde in den Jahren 2015 und 2017 jeweils eine große Zukunftswerkstatt mit Arbeitsgruppen, Workshops und Infoständen für alle Interessierten abgehalten.
Die Integrationsarbeit wurde nach und nach auf mehrere Säulen gestellt und unter zunehmender Einbeziehung der Geflüchteten und deren individuellen Bedürfnisse in Form von Projekten, ehrenamtlicher Betreuung sowie städtischer Koordination umgesetzt. Es bildeten sich feste Gruppen wie wöchentliches Kochen, eine Nähstube, eine Fahrradwerkstatt sowie ehrenamtlicher Sprachunterricht. Mehrfach wurden Tage der Begegnung, wie etwa ein „Interkultureller Sporttag“, organisiert. Hieran waren maßgeblich die örtlichen Sportvereine beteiligt, zu denen viele Geflüchtete innerhalb kurzer Zeit Zugang gefunden hatten.
Im Übrigen gelang es in Kooperation mit einer gewerblichen Sprachschule in eigenen Räumlichkeiten parallel zwei offizielle Integrationskurse einzurichten. Außerdem wurden ergänzend mehrere Sprachkurse angeboten, um z.B. Wartezeiten zu überbrücken. Zwischenzeitlich wurden in vielen Bereichen dauerhafte Strukturen geschaffen, welche die Integration und Orientierung seitens der Geflüchteten sehr erleichtern.
Als Kooperation zwischen Asylbetreuung auf Kreisebene und städtischen Betreuung werden wöchentlich feste, öffentliche Sprechzeiten angeboten, welche ohne Termin aufgesucht werden können. Die Informationsketten zwischen Bildungsträgern, Behörden sowie anderen Beteiligten und der städtischen Koordinatorin haben sich gefestigt und werden rege genutzt.
Um die nötigen Kenntnisse zu vermitteln, werden externe Angebote zur Fort- und Weiterbildung in Anspruch genommen, von denen sowohl städtische Mitarbeiter als auch Ehrenamtliche profitieren. Die angebotenen Projekte (Nähstube, Fahrradwerkstatt) sowie die Einbindung in Sport- und Gesangsvereine fördern den Kontakt vor Ort und ergänzen das vorhandene Bildungsangebot im Bereich des Spracherwerbs.
Insbesondere den Sportvereinen kommt eine große Bedeutung zu und so wurde eigens für die dortige Integration ein ehrenamtlicher Sportcoach gewählt. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Sprachkompetenz, bilden sich auf diese Art ganz nebenbei neue Kontakte innerhalb der Bevölkerung, zu potentiellen Arbeitgebern oder privaten Wohnungsgebern.
Zukünftig wird der Schritt in die Erwerbstätigkeit insbesondere für die Männer ein zentrales Thema sein, wogegen die Frauen aufgrund verschiedener Faktoren (häufig fehlende Schulbildung und Betreuung kleiner Kinder) noch einen weiteren Weg vor sich haben, bis an berufliche Integration gedacht werden kann. Daher möchten wir versuchen, ihnen z.B. über die Beteiligung in der Nähstube Möglichkeiten aufzuzeigen, wie auch sie mittelfristig mit entsprechender Qualifizierung wohnortsnah einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen können. Die mitunter großen Unterschiede beim Rollenverständnis zwischen den Heimatländern und Deutschland erfordern Offenheit sowie die Bereitschaft zur Veränderung auf beiden Seiten.
Wie man sich vorstellen kann, stellten all diese Bemühungen die Stadt bereits frühzeitig vor finanzielle Herausforderungen. Daher bewarb sich Diemelstadt mehrfach um entsprechende Fördermittel des Landes Hessen und wurde gleich zweifach zur Modellkommune ernannt. Damit verbunden erhielt man auch finanzielle Unterstützung. Durch die Vernetzung mit den anderen Modellkommunen findet bis heute ein reger Austausch im Sinne von „Best Practice“ statt und auch die Öffentlichkeitsarbeit über diverse Medien dient dem Thema Integration nachhaltig.
Das Aufgabengebiet wandelt sich naturgemäß nach und nach von der grundlegenden Versorgung der Personen hin zur Begleitung im neuen Alltag, Spracherwerb, Terminen bei Behörden und Ähnlichem, bis hin zu ersten beruflichen Schritten und ggf. dem Familiennachzug im Falle einer Anerkennung als Flüchtling.
Dem außerordentlichen Engagement der zahlreichen einheimischen Ehrenamtlichen sowie der frühzeitigen Weichenstellung auf städtischer Seite ist es sicherlich auch zu verdanken, dass trotz gewisser Nachteile, welche das Leben im ländlichen Raum leider auch mit sich bringt (z.B. fehlende Mobilität), ein Großteil der Personen weiterhin hier wohnt und nicht den Weg in eine größere Stadt eingeschlagen hat.
Mittlerweile sind die diversen Projekte und Aktivitäten fest verankert und die nötigen Strukturen in den verschiedenen Bereichen etabliert, sodass die Notwendigkeit einer Kommission nicht länger gegeben ist.
Um festgestellte Defizite, sowie offene Fragen und Probleme austauschen zu können, gab es zwischenzeitlich eine Veranstaltung zu der alle interessierten Neubürger/-innen, Vertreter unterschiedlicher Behörden und der Stadt eingeladen wurden. Dies erwies sich als ausgesprochen sinnvoll und wird sicherlich zukünftig bei Bedarf wiederholt stattfinden. Nach diesem Vorbild gab es auch bereits Vorträge zum Thema „Haushalt und Alltag in Deutschland“ sowie demnächst einen Vortrag der örtlichen Polizeibehörde zu deren Themenkreis.
Damit auch die Kommune langfristig von der Zuwanderung und der dabei geleisteten Integrationsarbeit profitiert, ist es wichtig die Stärken und Vorteile der ländlichen Region zu betonen und im Rahmen unserer Möglichkeiten individuelle Perspektiven vor Ort zu schaffen. Denn dann wird es möglich sein, über die vielfach geleistete humanitäre Hilfe hinaus, auch zukünftig an der positiven Gestaltung unserer Gesellschaft mitzuarbeiten und dem demografischen Wandel durch die Ansiedlung jüngerer Menschen entgegenzuwirken. Aktuell befinden wir uns hierbei auf einem langen aber zielführendem Weg und arbeiten gemeinsam mit den momentan 125 Flüchtlingen daran, unser erklärtes Ziel zu erreichen:“ Bis zum Jahr 2020 werden aus einem Drittel der Geflüchteten unabhängige Bürger-/innen von Diemelstadt“.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags






C2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags


































Welche Handlungsfelder zur Integration von Zuwanderern und zur Förderung des Zusammenlebens mit der Bevölkerung vor Ort stehen in Ihrem Wettbewerbsbeitrag im Mittelpunkt? Bitte geben Sie an, ob sich das Handlungsfeld auf die Gesamtstadt oder das Quartier bezieht bzw., ob es sich um ein Projekt handelt.


































C3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
















































Einzelprojekte
Einzelprojekt 1























Die Nähstube besteht seit Anfang 2017 und wurde im städtischen Gemeinschaftshaus eingerichtet. Zur Ausstattung gehören mehrere elektrische Nähmaschinen sowie diverses Zubehör. Die Betreuung der Nähstube erfolgt maßgeblich durch zwei ältere Damen aus dem Ort, welche ursprünglich in diesem Bereich berufstätig waren. In der Regel nehmen an den wöchentlichen Treffen 3-6 Frauen regelmäßig teil und darüber hinaus ist der Zulauf je nach Bedarf unterschiedlich. Bisher werden von den Frauen eigene Kleidungsstücke verändert oder ausgebessert – je nach Vorkenntnissen mit Unterstützung oder eigenständig. Geplant ist, interessierten Frauen mit zunehmendem Spracherwerb die Möglichkeit einer Schulung und Qualifizierung zu bieten. Im Idealfall könnte sich daraus eine Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit entwickeln und den Frauen damit eine Perspektive zur persönlichen Weiterentwicklung bieten.
Einzelprojekt 2























Die Fahrradwerkstatt entstand im Frühjahr 2017 aus der Situation heraus, dass vielen Flüchtlinge zwar Fahrräder gespendet wurden, diese allerdings oftmals reparaturbedürftig waren. Die Reparaturen scheiterten oft an finanziellen Mitteln und der Möglichkeit, die Fahrräder zu einem Geschäft mit Werkstatt zu transportieren. Und auch als sinnstiftende Freizeitbeschäftigung bot sich ein solches Angebot vor Ort eindeutig an.
Aktuell wird die Werkstatt, welche sich ebenfalls im städtischen Gemeinschaftshaus befindet, von einem syrischen Flüchtling verantwortlich betreut. Seitens der Flüchtlinge werden Fahrräder vorbeigebracht und mit mehr oder weniger Hilfe wieder fahrbereit gemacht. Die Materialien werden momentan noch aus Fördermitteln finanziert, sollen aber mittelfristig zum Einkaufspreis abgegeben werden.