Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Das Rasteder Dichterviertel im Landkreis Ammerland hat als ehemalige Werkssiedlung eine Quartiersbiographie wie viele Siedlungen dieser Art. Im ländlich geprägten Ammerland stellt das Quartier damit jedoch eine Besonderheit dar. Der Anteil der Haushalte, die Transferleistungen beziehen liegt bei ca. 80% - für das Ammerland mit einer Arbeitslosenquote von 3,8% ein extremer Wert.
Im Quartierstreff MitEinAnder wird die Quartiersidentität gestärkt. Es wird niedrigschwellige Beratungsarbeit geleistet. Im MitEinAnder treffen sich Frauen zum gemeinsamen Nähen, Kaffee trinken und lachen. Das MitEinAnder hat sich auch als Brücke in die Gemeinde etabliert. Zu Veranstaltungen wie dem Nähcafé kommen mittlerweile auch Menschen von außerhalb des Dichterviertels. Im Ausgewaschen – dem ehemaligen Waschhaus das z. Z. baulich hergerichtet wird– wird momentan ein Treffpunkt für Jungen und Männer eingerichtet.
Alle Aktivitäten werden gemeinsam mit der Bewohnerschaft entwickelt und erprobt. So beginnen die Bewohner sich selber für ihr Quartier zu interessieren. Die Quartiersidentität und das Image werden gestärkt.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Ausgangssituation in Ihrer Kommune
Das Dichterviertel in der Gemeinde Rastede ist eine in den 1960er Jahren errichtete Werkssiedlung der nahe gelegenen Heizungsfabrik Broetje. Die Werksarbeiter wohnen seit langem nicht mehr dort. Stattdessen setzt sich die Bewohnerschaft aus sozial schwachen Haushalten in prekären Lebensumständen zusammen (Anteil der Haushalte die Transfergeld emofangen ca. 80 %). Der Anteil an Migranten ist überdurchschnittlich hoch. Das Dichterviertel fungiert als Durchlauferhitzer für Neuzugewanderte (vgl. Häußermann/Siebel 2010) und die soziale Lage des Quartiers hat sich seit 2015 im Vergleich zur Gemeinde noch verschlechtert. Es handelt sich um eine klassische pocket of poverty (Daniels/Kennedy/Kawachi 2000). Die Bewohnerschaft hat sich in den letzten zwei Jahren durch die Zuwanderungssituation und veränderte kommunale Belegungspolitiken bedingt noch einmal verändert.
Das Dichterviertel ist das Neuzugewandertenviertel geworden.
Das Dichterviertel ist baulich-räumlich vom Rest der Gemeinde abgetrennt durch einen Bauhof, die Autobahn und die örtliche Förderschule. Das Dichterviertel ist ein reines Wohngebiet ohne gewerbliche Nutzungen. Eine Viertelidentität existiert gegenwärtig nicht.
Familien aus Rastede versuchen einen Umzug in das Dichterviertel mit allen Mitteln zu vermeiden. Es sind dem Antragsteller persönlich Fälle bekannt in denen lieber in einem schwer mit Schimmel belasteten Haus weitergewohnt wurde, als dass man ins Dichterviertel ziehen würde. Dabei vielen Sätze wie: „Meine Söhne sollen keine Gangster werden“.
Insgesamt machte das Dichterviertel vor Einrichtung des MitEinAnder einen vollkommen trostlosen Eindruck, was auch von den dort tätigen Ehrenamtlichen bestätigt wird (Leitung der Frauen-Kaffee-Gruppe, Leitung der Nähgruppe, Leitung der Jungen-Gruppe, etc.).
Anlass (konkrete Auslöser/Gründe für Konzept/Projekt/Maßnahme)
Anlass für das Konzept waren Gespräche mit der Bewohnerschaft im Rahmen aufsuchender, sozialpädagogischer Arbeit im Rahmen der kommunalen Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes der Bundesregierung. Mehrfach wurde berichtet, dass insbesondere Frauen unter der Situation im Quartier litten. Einige Frauen würden sich nicht mehr auf die Straße trauen, da sie von Kindern auf der Straße mit Hundekot beworfen würden und man ihnen ins Gesicht spucken würde. Mechanismen informeller sozialer Kontrolle wie sie Jane Jacobs beschrieben hat existieren offenbar nicht.
Alle Anwohner äußerten sich in Gesprächen abfällig über ihren Stadtteil, der mitunter auch als Gefängnis bezeichnet wurde.
Bewohner außerhalb des Quartiers wiederum gaben an nicht dorthin zu gehen, da es dort gefährlich und ekelhaft sei. Den eigenen Kindern verbiete man das Besuchen von Geburtstagen im Dichterviertel.
Die beschriebenen Vorfälle wurden von Mitgliedern des Sozialausschusses der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft Ammerländer Wohnungsbaugesellschaft mbH mündlich bestätigt.
Unter diesen Umständen liegt offenkundig keinerlei Identifikation der Bewohnerschaft mit ihrem Quartier vor. Das Quartier wird somit nicht als Ressource, sondern als Restriktion mental repräsentiert.
Soziale Benachteiligung und Deprivation wird somit durch den Wohnort noch weiter verschärft.
Diese Diagnose führte zur Projektidee, der die Gemeinde Rastede zustimmte und die von der Kreisvolkshochschule Ammerland in Kooperation mit der Ammerländer Wohnungsbaugesellschaft mbH auf Basis der Gespräche mit der Bewohnerschaft und Experteninterviews mit lokal aktiven Sozialpädagogen und dem Schulleiter der angrenzenden Förderschule zu einem Konzept weiterentwickelt worden ist (siehe beiliegendes Konzept ‚MitEinAnder‘. Das Konzept wurde vom BAMF als förderwürdig ausgewählt. Im Rahmen der Projekttätigkeit wurden Verschiebungen deutlich auf die mit dem ergänzenden Konzept ‚Ausgewaschen‘ reagiert wurde, dass vom MWK des Landes Niedersachsen als förderwürdig eingestuft worden ist: Das MitEinAnder hat sich schnell zu einem Ort der Frauen und Mädchen entwickelt und Männer und vor allem Junge wollten einen eigenen Ort haben. Dieser wird nun im ehemaligen Waschhaus des Dichterviertels im Rahmen von ‚Ausgewaschen‘ bereitgestellt und gemeinsam mit den Männern konzeptionell weiterentwickelt und mit Leben gefüllt.
Konzeption, Ziele und Zielgruppen
Zielgruppe sind alle Bewohnerinnen und Bewohner des Dichterviertels – ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Herkunft oder sozio-ökonomischen Status.
Ausgehend von der Situationsbeschreibung wurden parallelen zur klassischen Studie ‚Etablierte und Außenseiter‘ von Norbert Elias gezogen: Abwertungen der Bewohnergruppen untereinander als auch Abwertungen aus der Gesamtgemeinde gegenüber der Bewohnerschaft des Quartiers sind üblich. Ein Gefühl des Willkommenseins und der Anerkennung der eigenen Kompetenzen kann sich nicht einstellen. Die ökonomische Deprivation überhöht die von Elias beschrieben Grundstruktur noch dramatisch.
Die individuelle Krise, die mit der Migration einhergeht, wie sie etwa Robert Park (1928) oder auch Alfred Schütz (1972) dargestellt haben, wird somit noch durch Faktoren auf der gesellschaftlichen Mesoebene verschärft. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration sind schlecht.
(geplantes) Vorgehen und Umsetzung
Ziele waren bzw. sind:
a) Vertrauen in den Quartierstreff aufbauen und den Quartierstreff auch über das Quartier hinaus bekannt machen.
b) Bewohnerschaft aktivieren. Empowermenterfahrungen ermöglichen. Wirkmächtigkeitserfahrungen im Alltag etablieren. Quartiersidentität stärken.
c) Niedrigschwelliges Beratungsangebot für sozial deprivierte Bewohner anbieten
d) Planungsworkshops mit den Bewohnern gemeinsam durchführen um die Angebote im Quartierstreff stets am Bedarf der Bewohnerschaft orientieren zu können.
e) Insbesondere für die Kinder ein Wohnumfeld schaffen, dass ihnen Chancen im Leben eröffnet und nicht verwehrt. Gemäß Grundgesetz ist die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Der Wohnort darf nicht über die Lebenschancen seiner Bewohnerschaft entscheiden. Auch ohne ausgefeilte Wirkungsstudien wie sie in Deutschland etwa Oberwittler umgesetzt hat ist offenkundig, dass das Leben in der Lessingstraße eine direkte soziale Benachteiligung der Bewohnerschaft darstellt. Diese Benachteiligung behindert die Bewohnerschaft (ca. 70% haben einen Migrationshintergrund) bei der Integration in die Gesamtgesellschaft – ökonomisch, sozial, kulturell und symbolisch. Gegen diese Behinderung arbeitet das Projekt an – sozial, kulturell und symbolisch.
Ergebnisse und (bislang) Erreichtes
1. Die Frauen-Kaffee-Gruppe trifft sich an vier Vormittagen in der Woche mit verschiedenen Teilnehmerinnen. Die Frauen tauschen sich über alle Fragen des täglichen Lebens aus – vom Einkaufen bis zu Erziehungsfragen. Immer wieder wird eine sozialpädagogische Fachkraft dazugeholt um sich auszutauschen. Durch die Frauengruppe sind Netzwerke entstanden – gerade auch interethnisch. Frauen deren Kinder sich früher auf der Straße geschlagen haben sind nun befreundet und regeln die Konflikte der Kinder schnell und partnerschaftlich.
2. In der Nähgruppe treffen sich Bewohner aus dem Quartier mit Bewohnern von außerhalb regelmäßig und nähen zusammen. Dies ist ein aktiver Beitrag zur Entstigmatisierung des Quartiers.
3. Auf den jährlich stattfindenden Sommerfesten wird das Dichterviertel gefeiert – mit allen die kommen. Es wird somit ein Beitrag zum Aufbau einer Quartiersidentität geleistet.
4. In den Mädchengruppen wird sozialpädagogisch betreut an Nachmittagen für jugendliche Mädchen ein Freizeitangebot bereitgestellt. Mädchen die früher nicht miteinander hätten spielen dürfen können dies hier tun. Die Mädchengruppe macht Ausflüge ins Umland aber es werden auch immer wieder Themen durch die Sozialpädagogin vorgegeben, die einen Bildungsbezug haben, wie z. B. Umweltbildung (Müll sammeln im Dichterviertel) , sexuelle Aufklärung, Gewaltprävention, Konfliktmanagement, interkulturelle Kompetenz, etc..
5. Die lokale Wohnungsbaugesellschaft bietet wöchentlich ihre Mietersprechstunde in den Räumlichkeiten des Quartierstreffs an.
6. Seit kurzem gibt es im Quartierstreff eine Jungengruppe – diese wird nach Abschluss der Sanierung der Räumlichkeiten in das ehemalige Waschhaus umgesiedelt. Auch hier werden Aktivitäten mit pädagogischen Inhalten ähnlichen der Mädchengruppen kombiniert.
7. Die lokale Unternehmerschaft und Bevölkerung aus der Gemeinde hat über das Projekt einen neuen, anderen Blick auf das Quartier gewonnen. Der örtliche Gospel-Chor spendete ebenso Geld wie der Heizungsbauer Brötje und die Stiftung der lokalen Sparkasse.
Erfüllung der Bewertungskriterien des Wettbewerbs
Ergänzend zu dem bereits dargestellten sei hinzugefügt, dass die kvhs Ammerland & kvhs Ammerland gGmbH AZAV und ISO-zertifizierter Bildungsträger ist und seit Jahren erfolgreich Projekte umsetzt und abwickelt. QM-Standards sind somit selbstverständlich und die kontinuierliche Selbstevaluation aller Projekte ist gelebte Praxis bei der Kreisvolkshochschule. Für die hier erwähnte Arbeit im Rasteder Dichterviertel gilt dies umso mehr, da hier der direkte Kontakt mit Bewohnerschaft und ehrenamtlich engagierten an der Tagesordnung steht und somit die Qualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit gleichsam täglich geprüft wird und überprüft werden muss.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags






C2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags


































Welche Handlungsfelder zur Integration von Zuwanderern und zur Förderung des Zusammenlebens mit der Bevölkerung vor Ort stehen in Ihrem Wettbewerbsbeitrag im Mittelpunkt? Bitte geben Sie an, ob sich das Handlungsfeld auf die Gesamtstadt oder das Quartier bezieht bzw., ob es sich um ein Projekt handelt.


































C3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
















































Einzelprojekte
Einzelprojekt 1























Einzelprojekt 2






















